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Ein Thema, das mich auf meinem Weg immer wieder beschäftigt hat, ist das der Leichtgläubigkeit und des Zweifelns. Wie viel Glauben ist gut und wie viel Zweifel in Ordnung? Wann hat Glauben mit Vertrauen zu tun, und wann mit Naivität? Wann ist Zweifel ein gesundes Hinterfragen und wann stehe ich mir damit selber im Weg?

Ich selber pendele oft zwischen beidem hin und her – mal bin ich erfüllt von Glauben, ohne es erklären zu können, oder verstehe zwar nicht alles aus mir heraus, glaube aber daran, weil es mir jemand so sagte oder vorlebt, dem ich vertraue.
Mal habe ich aber auch die Tendenz, das was ich höre kritisch zu hinterfragen, und merke, dass das unter Umständen den ein oder anderen Zweifel auslöst. Vor allem im Verhältnis zu der vorher anhaltenden Leichtgläubigkeit führte Hinterfragen in der Vergangenheit durchaus auch mal zu größeren Zweifeln.

Eine Zeit lang verurteilte ich mich dafür, dass ich manche Dinge bezweifelte und hielt diese Angewohnheit für schlecht, zumal ich immer wieder zu hören bekam, es sei ein Zeichen für ein Vertrauensproblem in mir.
Wem ich jedoch in dieser Zeit vielleicht zum ersten Mal wirklich zu vertrauen lernte, war mir selber und meinem ganz eigenen Bauchgefühl.
So entstand eine Spaltung, zwischen dem, was sich für mich richtig anfühlte, und dem, was ich für richtig hielt, weil ich es so gelernt hatte.

War blindes Vertrauen besser gewesen? Hätte ich weiter alles glauben sollen, was mir als eine Wahrheit präsentiert wurde, und mein eigenes Gefühl als mein Ego zurückstellen sollen?

Ich muss zugeben, es ging mir immer sehr gut im bedingungslosem Glauben. Ich musste nicht groß nachdenken und konnte vertrauen, konnte mich in der Wahrheit anderer Menschen fallen lassen, die so auch zu meiner Wahrheit wurde, und mich auf dem „richtigen Weg“ wissen. Das war sicher eine gewisse Zeit lang genau richtig für mich und stärkte mich auf meinem Weg ungemein.
Erst viel später erkannte ich darin eine gewisse Naivität – zumindest in meinem ganz persönlichen Umgang. Es war an der Zeit, Konzepte und Vorstellungen vom Leben an sich, die sich mit den Jahren angesammelt hatten, loszulassen.

Trotzdem war da noch eine Frage in mir – wäre es besser, einfach zu Glauben, oder ist es genauso gut und gesund, auch mal zu zweifeln?

 

Die Geburt des Löwen

 

In einem Buch von OM Cedric Parkin, „Die Geburt des Löwen – Dialoge zur Selbsterforschung“ fand ich eine Antwort auf meine inneren Fragen. Das folgende Zitat stammt aus einem Kapitel, in dem Parkin vor allem davon spricht, was Satsang („Sat“ heißt Wahrheit, „Sanga“ heißt zusammenkommen) bedeutet:

„Das Problem ist häufig, dass der Geist hin- und herpendelt zwischen dem Glauben und dem Bezweifeln. Zunächst glaubst du etwas, und dann bezweifelst du es. Je nachdem, was deine Gewohnheit ist, wird entweder die Leichtgläubigkeit oder der Zweifel im Vordergrund stehen. Satsang ist der Riss, der Riss zwischen Zweifel und Glauben. In diesem Riss ist es weder nötig zu bezweifeln noch zu glauben. Wenn du in diesem Riss bist, bist du zum ersten Mal offen. In dieser Offenheit bist du bereit für Satsang.
Der Geist kommt zum Satsang und ist nicht offen. Er ist bepackt mit Meinungen, Spekulationen, Annahmen, Glauben, Zweifeln, Interpretationen, Wissen. Aber im Riss, in der Mitte, da bist du offen, zum ersten Mal. In diesem Riss musst du nicht glauben, dass du irgendetwas weißt, und du musst auch nicht glauben, dass du nichts weißt. Du bist offen. Es gibt nichts zu verteidigen, nichts zu glauben, nichts zu bezweifeln.“

Als ich auf diese Zeilen stieß löste sich einiges in mir auf. Es war nie um den Glauben oder den Zweifel gegangen, sie beide waren zu gleichen Teilen noch nicht das Wesentliche – der Riss dazwischen. Offenheit, reines Sein, wirkliches Verstehen, ohne all das Theater drumherum. In diesem Zustand existieren weder Glauben, noch Zweifel.

Weil mich dieses Buch so geflasht hat, möchte ich den großartigen Autor gerne noch kurz vorstellen:

OM Cedric Parkin ist gebürtiger Hamburger, Jahrgang 1962. Nachdem Parkin sich intensiv mit dem Sufismus und dem Enneagramm beschäftigte und ein paar Jahre Psychologie studierte, hatte er am 6. August 1990 einen schweren Autounfall, der fast tödlich für ihn endete. Als er aus dem Koma aufwachte, war er nicht mehr der selbe. Er erkannte sein Selbst als unabhängig von Körper und jeglicher Subjekt-Objekt-Erfahrung.
Kurz darauf traf er auf seine spirituelle Lehrerin Gangaji, die von dort an seine engste Vertraute wurde, und reiste später auch zu Gangajis Lehrer Shri Poonjaji nach Indien.

Im ersten Teil des Buches schildert Parkin seine Suche und Erforschung der Psyche vor dem Unfall und gibt dem Leser einen Einblick in die inneren Veränderungen, die sein Erwachen mit einher brachte.
Seine Autobiografie fand ich äußerst spannend und inspirierend, nicht nur weil OM Cedric Parkin aus Deutschland kommt, und so irgendwie trotz ähnlicher Schilderungen greifbarer ist, als z.B. indische Meister, sondern auch, weil die Beschreibungen seiner verschiedenen Bewusstseinserfahrungen so direkt und verständlich sind.
Der Leser lernt ihn und seine Geschichte erstmal kennen, bevor es im zweiten Teil des Buches zu Mitschnitten aus Parkins Satsang kommt, in denen er unter anderem Fragen von Schülern beantwortet.

Das Buch kann ich jedem empfehlen, der gerne direkte Schilderungen eines Erwachten liest und der im tiefsten Herzen nach Antworten sucht.

Parkin gibt heute regelmäßig Darshan, Satsang, Vorträge und Workshops zum Enneagramm im Gut Saunsdorf. Mehr Informationen über Veranstaltungen, Hintergründe und Gemeinschaften vor Ort findest du hier.

 

„Ignoranz ist dasselbe wie Wissen oder Nichtwissen, d.h. glauben etwas zu wissen oder glauben etwas nicht zu wissen. Wenn du weder weißt noch nicht weißt und einfach still bist in dem, was ist, wenn du dich vollkommen in das Sein selbst entspannst, ohne Absichten, ohne Motive, ohne Verlangen, ohne unerfüllte Wünsche – das ist der Moment von Unschuld. Wenn du die Unschuld berührst, berührst du die Süße des Seins und du berührst das Wissen selbst. Unpersönliches Wissen. Das ist das Paradox. Und das ist der Moment, in dem die gesamte Last, die gesamte Mühsal des Lebens, der Kampf nicht einmal abfällt, denn er ist einfach nicht. Er fällt nicht ab, denn selbst abfallen ist noch zu viel der Bemühung. Er ist nicht. Punkt.“
Om Cedric Parkin