Übelkeit, körperliche Einschränkungen, Müdigkeit – kann ich trotzdem weiter praktizieren oder schränkt mich die Schwangerschaft in meinem spirituellem Wachstum ein bzw. bremst es sogar?
Ich wusste immer, dass es mein Leben bereichern wird, wenn ich schwanger werde.
Für mich war klar, dass ich trotz der Umstellung weiter Yoga praktizieren würde, und das nicht nur körperlich, sondern ganzheitlich.
Doch meine Praxis genauso weiter zu führen wie sie war, stellte sich schnell als schwierig heraus. Ein Baby verändert alles – auch die spirituelle Praxis, und das sobald es im Bauch angekommen ist.
Was bei mir vorher ziemlich geregelt ablief, mit einem genauen Praxisplan, einer festen Reihe an Asanas, Pranayama (Atemübungen), und im besten Falle einer Stunde Sitz-Meditation am Morgen, musste ich – wie alles andere auch – an die neuen Umstände anpassen.
Wenn ich jetzt morgens nicht den Schlaf nachholte, der in der Nacht gefehlt hatte, war mir übel, in der Meditation bekam ich nach wenigen Minuten Heißhungerattacken und die Asanas fühlten sich auch nicht mehr angenehm an.
Ich musste mich für neue Möglichkeiten öffnen und die Veränderungen nutzen, auf andere Art zu praktizieren, die letztlich doch zum gleichen Ziel führen und meinen Geist zur Ruhe bringen kann – auch ohne die gewohnte Routine.
Letztlich war dieses Öffnen für Neues auch bloß ein wichtiger Teil meiner Yoga-Praxis und eine gute Vorbereitung auf das Leben mit Baby, in dem ich genauso wenig hätte weiter machen können, wie zuvor.
Hier ein kleiner Einblick:
Spirituelle Praxis in der Schwangerschaft
1. Asanas
Meine üblichen Yogaübungen, die ich bis zur Schwangerschaft in der Regel täglich praktiziert hatte, fühlten sich schnell unangenehm an. Auch, als mein Bauch noch so gut wie nicht vorhanden war, merkte ich, dass etwas anderes her musste.
Ich meldete mich also in einem Schwangeren-Yoga-Kurs an, um Übungen kennen zu lernen, die ich bedenkenlos machen konnte. Auch in meinem Geburtsvorbereitungskurs, den ich relativ früh (20. SSW) schon machte, bekam ich inspirierenden Input bezüglich der Körperübungen. (Hier berichte ich darüber)
Natürlich ist man mit fortlaufender Schwangerschaft auf verschiedene Arten körperlich eingeschränkt, doch irgendwelche Übungen gehen immer. Bewegung ist gut und wichtig – vor allem in dieser Zeit! Deshalb ist es umso wichtiger, sich gerade dann nicht auf die faule Haut zu legen (es sei denn der Arzt verordnet es), sondern weiter in Form zu bleiben. Das Gute daran: Das muss nicht bedeuten, dass man sich anstrengendem Sport unterzieht – im Gegenteil. Schon ganz sanfte Übungen können großes bewirken.
Dazu kommt, dass sich das Körpergefühl generell verändert. Zum einen zeigt der Körper viel deutlicher, was er braucht (durch Müdigkeit, Rückenschmerzen, etc.), zum anderen ist man als Schwangere sehr viel sensibler und der Blick ist immer wieder nach innen auf sich selbst und den Körper gerichtet, in dem das Kind heranwächst.
Anfangs zeigte sich das bei mir darin, dass ich jeden Tag ziemlich genau wusste, was ich essen muss, damit es mir gut geht und das Baby und ich optimal versorgt sind. Mit fortlaufender Schwangerschaft wurden meine Bewegungen immer intuitiver und ich wurde feinfühliger dafür, was mein Körper genau jetzt braucht.
2. Meditation
Großer Bauch oder nicht – sich Zeit für Meditation zu nehmen, ist immer möglich. Ich sitze nicht mehr wie vorher eine Stunde still im Siddhasana auf der Matte, sondern schaue, dass ich flexibel bleibe und auf meinen Körper höre. Also meditiere ich in der Position, die mir in dem Moment am bequemsten erscheint – sitzend auf einem Stuhl oder Gymnastikball, in den verschiedensten Sitz-Positionen unterstützt durch ein großes Stillkissen, im Liegen oder im Gehen.
Gerade die Gehmeditation habe ich durch meine Schwangerschaft schätzen gelernt, da ich viel öfter spazieren gehe, mein Körper aber auch schneller überanstrengt ist. Das achtsame, meditative Gehen bringt mich trotz der Bewegung total zur Ruhe und ich genieße es sehr. Am besten eignen sich dafür allerdings Orte, an denen man für sich ist, da es für Außenstehende durchaus seltsam aussehen kann.
Eine einfache Atemmeditation mache ich gerade am liebsten. Sie bringt mich nicht nur in jeder Lebenslage wieder zurück in den Moment, sondern bereitet mich auch gleich darauf vor, unter der Geburt besser mit den Wehen umgehen zu können.
3. Präsenz
Den Fokus auf Körper und Atem zu richten, holt ins Jetzt und macht Präsent – eine super Geburtsvorbereitung ist es noch dazu. Körperliche Beschwerden und Kindsbewegungen im Bauch helfen ohnehin dabei, den Fokus dorthin zu richten und sind somit eine ständige Erinnerung daran, achtsam und präsent im Moment zu sein.
4. Herzöffnung
Dieses neue Leben im Bauch verändert so viel! Schon jetzt empfinde ich ganz viel Liebe für das Baby, was unter meinem Herzen heranwächst. Ob es nun die Hormone sind oder nicht – ich erlebe es so, dass meine Schwangerschaft wirklich herzöffnend ist und ich für mich selbst und Andere sensibler werde.
Das fängt schon morgens an. Nach dem Aufwachen spüre ich zuallererst zu meinem Baby hin und meistens gibt es mir dann ein Zeichen, dass es ebenfalls wach ist. Manchmal könnte ich platzen vor Glücksgefühlen. Mein Herz zu öffnen ist in solchen Momenten überhaupt nicht schwer.
Natürlich ist diese Offenheit nicht immer so angenehm, da die meisten Schwangeren generell verletzlicher sind und emotional schneller aus der Bahn geworfen werden. Auf einmal können einen die kleinsten Dinge zutiefst treffen und berühren. Aber auch das kann sehr reinigend und entspannend sein.
5. Hingabe
Eine Schwangerschaft ist ein einziges Hingeben, Loslassen, und Vertrauen darin, dass alles gut wird und sich genau so entwickelt, wie es das Beste ist. Am laufenden Band stellen sich Ängste oder Unsicherheiten ein und bis zum Schluss wird niemand wissen, wie die Geburt genau ablaufen wird. Meine Hebamme sagte gleich zu Anfang zu mir: „Du weißt nicht, wie dieses Kind zur Welt kommen möchte.“ Man kann Pläne machen, sollte sich aber darauf einstellen, dass es auch ganz anders ablaufen kann. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Kontrolle abzugeben, immer wieder.
In dem Punkt hilft mir auch wieder die Achtsamkeitspraxis. So entspannt, zuversichtlich und voller Vertrauen ich an manchen Tagen auch bin, es gibt immer wieder Momente und ganze Tage in denen mir meine Gedanken in die Quere kommen, und mein Geist mir einreden möchte, irgendetwas sei nicht in Ordnung. Auch ich habe mich schon oft dazu hinreißen lassen Symptome zu googlen und von einem auf den anderen Moment zu glauben, etwas ganz Schreckliches beträfe mich und mein Baby. Man kann sich da ganz wunderbar reinsteigern. Doch nichts von all den Ängsten und Sorgen ist jemals eingetreten. Und selbst wenn – es reicht, sich Gedanken darüber zu machen, wenn es tatsächlich soweit kommen sollte!
Bis dahin versuche ich mich weiter im Vertrauen und Loslassen und wenn ich bemerke, dass sich wieder sorgenvolle Gedanken einschleichen, denke ich „Ah, wieder so ein Gedanke. Aha.“ Und lasse ihn Gedanke sein. Meistens löst er sich dann ziemlich schnell auch wieder auf.
Wir haben keine Kontrolle darin, was passiert und wer weiß, wozu es gut ist, wenn etwas nicht nach unserem Plan läuft.
6. Reflexion durch sozialen Austausch
Ich bin in meiner Schwangerschaft gerne für mich und genieße Ruhe mehr als vorher. Trotzdem ist mein Bedürfnis nach Austausch und sozialen Kontakten größer geworden. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht über meine Empfindungen und Erlebnisse sprechen kann, weil ich so viele tolle Menschen um mich habe, mit denen ich mich ganz selbstverständlich austausche. Dazu kommt, dass ich automatisch öfter gefragt werde, wie es mir geht.
Ängste, Unklarheiten und Ego-Spiele können sich so viel schneller auflösen und haben gar nicht erst die Zeit, über Tage an Kraft zu gewinnen.
Ihr seht also – eine Schwangerschaft ist weder eine Ausrede dafür, mit seiner Yogapraxis zu pausieren, noch ein Hindernis, weiter an sich zu arbeiten. Im Gegenteil, sie kann eine sehr große Chance sein, weiter über sich hinaus zu wachsen.
„Vertraue deinem Herzen. Wertschätze dessen Intuition. Wähle die Angst loszulassen und öffne dich der Wahrheit und du wirst erwachen zu Freiheit, Klarheit und Freude am Sein.“ Mooji