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Der Umgang mit Veränderung und die Wichtigkeit des Loslassens

 

Vor einer Woche fand ich in meinem Briefkasten den Werbeflyer einer Autofirma mit dem Spruch: „Change is good“. Autos interessieren mich nicht sonderlich, aber an dem Spruch blieb mein Blick hängen. Intuitiv schnitt ich ihn aus und legte ihn an einen Platz, den ich mehrmals täglich kreuze.

In den letzten 1 1/2 Jahren ist mein Leben geprägt von Veränderung. Veränderung, die ich mein Leben lang als negativ wahrgenommen hatte, mit viel Angst und Kontrollverlust verband und schlichtweg einfach nicht wollte. Lange Zeit sagte ich mir: „Ich hasse nichts, außer Veränderung!“ Was soll gut daran sein, immer wieder das Loslassen zu müssen, was man lieb gewonnen hat? Woran man sich gewöhnt hat, was leicht fällt?
Das Gute in Veränderung zu sehen, ist für mich ein Prozess, der zwar angestartet, aber noch nicht beendet ist. Und das Einzige, was mir in diesem Prozess wirklich hilft, ist die Veränderung selbst und damit einhergehend ein immer währendes Loslassen in allen Lebenslagen.

Dass das Loslassen gerade in diesem Jahr mein Thema sein wird, hat sich besonders in den letzten 3 Monaten gezeigt, in denen sich die Lage immer mehr „zuspitzte“. Mehrere Todesfälle, der Verlust meiner Katze, ein beruflicher Neustart und abrupte persönliche Veränderungen im Freundeskreis, hielten mir die Veränderung und Notwendigkeit des Loslassens immer wieder vor Augen. Wenn ich gerade einmal dachte, es wäre jetzt genug und ich hätte doch wirklich mal eine Pause verdient, bewies mir der weitere Verlauf, dass ich mich irrte.
Ich wurde nicht nur mit dem Teil des Lebens konfrontiert, über den ich absolut keine Macht habe, sondern auch mit meiner eigenen Entscheidungsfähigkeit, die an großen Gabelungen meinen weiteren Weg bestimmt. Beides hat mich vor eine Machtlosigkeit und Leere gestellt, die Ängste ausgelöst haben. Dabei haben mich folgende Fragen beschäftigt:

Wie kann ich die Veränderung/ das Neue akzeptieren und das Alte wirklich loslassen?
Wie entscheide ich mich, wo ich weiter gehen möchte, wenn große Veränderungen stattfinden?
Woher weiß ich, welcher Weg richtig ist? Wem oder was kann ich vertrauen?

 

Die Mächte, die in einem wirken, wenn Veränderung stattfindet, sind oft deutlich spürbar. Manchmal macht es uns nichts aus, dann sind wir entspannt und können alles so akzeptieren, wie es ist. In anderen Fällen jedoch zieht und zerrt es innerlich und etwas in uns möchte es einfach nicht wahrhaben, dass sich ein Teil des Lebens (manchmal für immer) ändern wird. Wir können uns da wunderbar reinsteigern und uns darüber ärgern, was jedoch nur noch mehr Ziehen und Zerren auslöst und uns unglücklich macht. Wirklich helfen tut nur die Kontrolle abzugeben, sich in den Strom des Lebens reinzuwerfen und treiben zu lassen.
Dabei werden immer wieder Gedanken auftauchen, die es einem schwerer machen. „Ich möchte nicht, dass derjenige gestorben ist! Er soll wieder da sein, wir hatten doch viel zu wenig Zeit zusammen!“ zieht einen in eine Abwärtsspirale, in der man wunderbar nur noch alles Negative wahrnimmt. Stattdessen zu sagen: „Ich weiß nicht, was das Beste ist, weder für mich noch für Andere. Die Person kommt nicht wieder zurück, deshalb lasse ich sie ziehen und konzentriere mich auf das Hier und Jetzt.“, lässt einen gleich viel leichter mit der Situation umgehen. Unangenehme Gefühle werden bleiben, doch es macht sie leichter, wenn wir sie einfach wahrnehmen, anstatt in ihnen zu baden. Mal davon abgesehen glaube ich daran, dass Dinge passieren, um uns wachsen zu lassen. Wir haben sozusagen die Verantwortung wirklich durch solche Gefühle hindurch zu gehen, damit das was passiert ist auch seinen Sinn erfüllt und nicht immer wieder in unterschiedlichen Ausführungen geschehen muss, bis es bei uns ankommt.

Schwieriger wird es vielleicht, wenn wir etwas Loslassen müssen von dem wir wissen, dass es andere Möglichkeiten gegeben hätte, und die Verantwortung dafür allein bei uns selbst liegt. In solchen Fällen quälen die Gedanken auf eine andere Art und Weise, etwa „Es muss doch eine Möglichkeit geben, beides zu haben! Ich kann nicht akzeptieren, dass ich das Eine verliere/ nicht bekomme, weil ich mich für das Andere entscheide.“ Es kann eine gesunde Energie sein, Dinge zu hinterfragen und nach Lösungen zu suchen, die es so noch nicht gab. Es ist sicher manchmal wirklich möglich, einen Weg zu finden, der nichts ausschließt. Wir sollten jedoch auch akzeptieren können, wenn dem nicht so ist, und zu einem angemessenem Zeitpunkt aufhören, uns gegen den Rest der Welt zu stellen und stattdessen anzuerkennen, dass manche Dinge nicht zu ändern sind.
Es kann sehr erleichternd sein, anzunehmen, dass die Dinge im Leben oft anders laufen, als man sie sich vorstellt und wünscht – und es dabei zu belassen.

 

Jedes Loslassen schafft Raum für etwas Neues.

Und es wird definitiv mit etwas gefüllt werden, was uns helfen wird, uns selbst näher zu kommen, darauf können wir uns verlassen.

Und woher weiß ich nun, wofür ich mich entscheiden muss und welcher Weg der Richtige für mich ist? Was muss ich loslassen, und was als neuen Weg annehmen?
Es gibt im Grunde keinen falschen Weg. Selbst, wenn sich im Nachhinein etwas als eine „falsche“ Entscheidung rausgestellt hat, bist du daran gewachsen und somit war es der richtige Weg. Es macht immer nur Angst, vor einer Entscheidung zu stehen, weil wir glauben ein Weg wäre der Richtige und der andere Falsch. Und weil die Entscheidung für etwas zwangsläufig etwas anderes ausschließt. Das ist jedoch überhaupt nicht schlimm. Wir haben bloß gelernt, dass wir Sicherheiten brauchen, die in solchen Momenten auf der Kippe stehen. Frei sind wir jedoch, wenn wir uns klar machen, dass uns die ganze Welt offen steht. Was uns beschränkt sind einzig wir selbst. Und wir selbst sind es, die sich für das Glück entscheiden können, in jedem Moment. Egal welchen Weg wir gerade gehen.
Dafür müssen wir nur die Verantwortung für unser Leben übernehmen.

Eines war mir nach all den Veränderungen völlig klar: Ich möchte mich selber lieben lernen und mich voll und ganz annehmen. Ich sehne mich nach Beständigkeit und einer Ruhe, die ich nur in mir finden kann. Mein Leben wird nicht unbedingt ruhiger werden. Ich kann aber lernen meinen Umgang mit solchen Veränderungen grundlegend zu ändern, und aus einer inneren Gelassenheit, Akzeptanz und Liebe heraus agieren.

Heute gehe ich an dem kleinen Stück Papier, auf dem „Change is good.“ steht vorbei und kann darüber lächeln. Veränderung ist wirklich gut, das fühle ich. Sie lässt unser Leben lebendig bleiben und uns ohne Unterlass wachsen. Unangenehme Gefühle sind ein Teil davon und notwendig, um auf der anderen Seite das höchste Glück zu erfahren. Und mit der Zeit wird selbst der größte Schmerz irgendwann aushaltbar sein und mit etwas Gutem verbunden – nämlich mit unserer eigenen Reise nach Innen, die dadurch möglich wird.

 

„Wesentlich auf dem geistigen Weg ist, sich von dem Erinnerungsgeflecht seiner toten Vergangenheit zu befreien. Ich weiss, dass es manchmal schmerzlich ist, aber wenn man wirklich von seinen Konzepten frei sein möchte, dann gibt es keinen anderen Weg. Es ist notwendig einzusehen, dass es nicht darum geht Dinge, die nicht zu ändern sind verändern zu wollen, sondern seine Einstellung zu den Dingen. Es geht auf dem Geistigen Weg um die Verwirklichung einer freien, nicht-anhaftenden und nicht projizierenden Geisteshaltung zu gelangen. Sie können die Dinge die geschehen sind nicht ändern, sondern lernen anders damit umzugehen. Das heißt, dass es einzig und allein darum geht sich selbst zu ändern. Dies ist der Weg zur Befreiung von aller Leibverstrickung.“ Zensho W. Kopp