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Immer wieder kriege ich mit, dass jemand sein Leben radikal ändert, und sein „altes Leben“ größtenteils hinter sich lässt.
Anfangs, wo die eigene Erfahrung mit der neuen Lebensweise noch ganz frisch ist, und man sich evtl in einer Yoga-, Meditations- oder einer religiösen Gruppe wiederfindet, in der man auf Leute trifft, die man für weit entwickelt hält, und deren Lebensweise man einfach erstmal zu übernehmen versucht, kann es sehr schnell passieren, dass man Konzepte und Dogmen aufbaut, mit denen man sich erheblich einschränkt.
Man weiß es in dem Moment (noch) nicht besser! Ich will auch nicht sagen, dass das in irgendeiner Weise schlimm oder falsch ist. Es ist einfach ein Phänomen, das mir immer wieder begegnet, und bei dem ich glaube, dass es vielleicht dem ein oder anderen hilft sich besser zu verstehen, wenn ich darüber schreibe.

Bei mir selber war das nämlich auch so. Ich nenne mal ein Beispiel:
Als ich zu meiner jetzigen Yogagruppe stieß und regelmäßig am Unterricht und an Seminaren teilnahm, bekam ich mit, dass niemand dort Fleisch isst. Ich speicherte ab, dass Fleisch zu essen schlecht sein muss und die Tiere dadurch leiden müssen, und schraubte meinen Konsum erheblich runter. Ab diesem Zeitpunkt fühlte ich mich meistens schlecht, wenn ich Appetit auf Fleisch bekam. Zu meinem Glück – das kann ich im Nachhinein sagen – brach ich meinen Konsum nicht von jetzt auf gleich ab, sondern ließ ihn langsam auslaufen. Wenn ich unbedingt Fleisch essen wollte, tat ich es, und wo es nicht sein musste, ließ ich es bleiben. Und mit der Zeit stellte sich ganz automatisch ein, dass ich immer weniger bis letzten Endes gar kein Fleisch mehr essen wollte. Das war dann kein Konzept aus meinem Kopf mehr, sondern ein wirkliches Verständnis dafür, was der Fleischkonsum auf der Erde anrichtet, und dass es mir persönlich nicht gut tut Fleisch zu essen, weil es mir schwer im Magen liegt und meinen Geist unruhiger macht.
Bricht man seine Gewohnheiten von jetzt auf gleich durch ein entstandenes Dogma ab, kann es eher vorkommen, dass sich eine Art Jojo-Effekt einstellt. Weil diese Entscheidungen oft aus dem Kopf kommen sind sie nicht wirklich fest verankert.
Was glaube ich schnell vergessen wird, ist, dass man anfangs noch aus einem ganz anderen Verständnis handelt, als diejenigen, die schon lange dabei sind an sich zu arbeiten, und die von einer anderen Bewusstseinsstufe aus handeln. Deshalb geht man auch einfach mit manchen Dingen unterschiedlich um.

Diese Einschränkungen, die durch Konzepte und Dogmen entstehen können, müssen aber nicht zwangsläufig mit etwas zu tun haben, was tatsächlich schlecht für einen ist. Man verbietet sich auch schnell Dinge, die man gerne macht und die einem eigentlich gut tun.
Der Freund einer Freundin hat z.B. sein Leben lang total gerne Fußball gespielt und musste das krankheitsbedingt aufgeben. Jetzt ist er wieder gesund, macht aber auch regelmäßig Yoga und obwohl ihm das Fußballspielen sehr fehlt und er immer wieder daran denkt, erlaubt er es sich bisher selber nicht, wieder damit anzufangen, weil eine Fußballgruppe, in der auch gerne mal getrunken wird, in seinen Vorstellungen nicht zum yogischen Leben passt.
Obwohl ihn sein Gefühl ganz klar zum Sport zieht, hält sein Kopf mit diesem Konzept dagegen.

Der Schritt zur Freiheit startet in dem Moment, in dem einem bewusst wird, dass man sich mit Konzepten dieser Art in der Lebensfreude eingeschränkt hat.
Diese Erkenntnis kann erstmal ganz schön hart sein und vielleicht denkt man in dem Moment, dass es die Gruppe war, oder die Yogapraxis, die regelmäßige Meditation oder das Gebet, die diese Konzepte in einem gesät haben. Es kann auch von Außen betrachtet schnell so aussehen, als wäre es so, und es gibt sicherlich auch spirituelle Gruppen, in denen Konzepte und Dogmen verbreitet werden.
Mir ist es jedoch so begegnet, dass ich im Nachhinein immer verstanden habe, dass ich selber die Mutter all meiner Konzepte war. Ich war vielleicht noch nicht so weit manche Dinge aufzunehmen und umzusetzen, ohne ein Konzept daraus zu machen. Dafür muss ich mich nicht verteufeln und meine Yogapraxis schon gar nicht, denn sie ist es, die mir jetzt hilft, genau diese Konzepte loszulassen. Wie schon oben geschrieben, habe ich es in dem Moment einfach noch nicht besser gewusst. Niemand sonst ist dafür verantwortlich, wie ich bis jetzt mit Informationen und Erfahrungen umgegangen bin.

Es mag vielleicht hart sein, sich das einzugestehen, aber eigentlich ist es eine sehr schöne Sache, denn es läutet eine Zeit ein, in der man vielleicht das erste Mal wirklich darauf hört, was man braucht, um rundum glücklich zu sein. Und jeder darf es sich Wert sein, sich genau das zu nehmen. Ich behaupte einfach mal, dass niemand allumfassendes Glück und die göttliche Liebe spürt, wenn er verbissen an Konzepten festhält und sich Dinge verbietet, die er eigentlich gerne tun würde.
Die echte Freiheit kommt erst, wenn man die Dogmen loslässt und dem Vertrauen Platz macht. Wenn man reinspürt, was wirklich gerade gut für einen ist, und dem nachgeht. Wenn man die Energie vom Kopf weg und in Herz und Bauch lenkt.
Es kann sich unter Umständen anfühlen, wie ein ganz neues Leben.

 

 

„Wir kommen nicht durch Denken zu einer neuen Lebensweise. Wir kommen durch Leben zu einer neuen Denkweise.“
Richard Rohr